Alle wollen ans Euter: Muttergebundene Aufzucht
Ob Mutter und Kalb ständig
beieinander sind oder nur zu
den Melkzeiten, ob die Kälber
vor oder nach dem Melken zur
Mutter können oder die Mutter
zu den Kälbern, oder ob es gar
eine Amme gibt, die ständig für
die Kälber zur Verfügung steht,
spielt keine wesentliche Rolle.
Wichtig ist, dass der Ablauf
zum Betrieb passt und die Tiere
mitspielen. In der Natur lassen
Mütter ihre Kälber bis zu
einem Jahr saugen. Kuhkälber
werden tendenziell früher entwöhnt
(acht bis neun Monate)
als ihre Brüder (elf bis zwölf
Monate). Eine enge Beziehung
zwischen verwandten Tieren
kann jedoch lebenslang beobachtet
werden.
In den ersten Wochen saugen
Kälber etwa sechs- bis achtmal
pro Tag für sieben bis zehn
Minuten. Die Saughäufigkeit
nimmt mit dem Alter ab, vor allem
wenn die Kälber nach etwa
f ünf Monaten mit den großen
Tieren zu weiden beginnen.
Dass Kuh und Kalb dieses natürliche
Verhalten ausleben
können, ist das Ziel dieser Aufzuchtform.
Grundsätzlich werden
dabei drei Systeme
unterschieden.
Drei Systeme
- Zweimal Säugen: Langzeitiges Säugen zweimal täglich mit zusätzlichem Melken davor oder danach. Dabei kann auch der Zeitabstand zwischen Säugen und Melken variieren. Unterschieden wird noch, ob die Kuh zum Kalb geht, das Kalb zur Kuh, oder sie sich im Laufhof oder Warteraum der Kühe treffen.
- Einmal Säugen: Langzeitiges Säugen mit mehrstündigem Kontakt. Zusätzlich wird ein- bis zweimal pro Tag gemolken.
- Ammenkuh: Langzeitiges Säugen ohne zusätzliches Melken, wobei immer zwei bis vier Kälber bei einer Ammenkuh sind. Die Mütter werden nach kurzer Säugezeit nur noch gemolken.
Trennung ist schwer
Auch das Absetzen, also die
Trennung von Mutter und
Kalb, kann auf verschiedene
Weise durchgeführt werden.
Entweder das Kalb saugt bis
zum Absetzen bei der Mutter
oder es wird vor dem Absetzen
von der Mutter getrennt. Dann
übernimmt eine Amme, der
Nuckeleimer oder Tränkeautomat
die weitere Versorgung.
Die Trennung kann homöopathisch
mit dem Mittel Ignatia
unterstützt werden und sollte
nicht abrupt sondern schrittweise geschehen.
Vor- und Nachteile
Vorteilhaft ist, dass das artgemäße
Verhalten von Kuh und
Kalb ermöglicht wird. Kälber
sind tendenziell gesünder als
bei der Eimertränke und zeigen
später besseres Sozialverhalten.
Die Gewichtszunahme
ist während der Saugphase höher,
kann allerdings durch den
Stress beim Absetzen wieder
geringer ausfallen. Die aufwendige
Arbeit des Tränkens (Wärmen,
Verfüttern, Reinigen etc.)
entfällt und auch für die Kälber
werden stressige Situationen
während der Fütterungszeit
vermieden. Können die Kälber
bei den Müttern saugen, kann
sich dies auch positiv auf die
Eutergesundheit auswirken.
Wichtig ist, dass die Tiere genau
beobachtet und
an menschlichen Kontakt gewöhnt
werden, um ein Verwildern
zu verhindern. Die Euter
der Mütter oder Ammen sollten
regelmäßig kontrolliert
und die Kälberanzahl an die
Milchmenge angepasst werden.
Die Milchleistung kann
abnehmen, wenn die Kühe
beim Melken nicht ihre ganze
Milch hergeben.
Momentan findet sich das
System der kuhgebundenen
Aufzucht vor allem auf Bio-
Betrieben wieder. Interessant
ist es aber für jeden, der Tierhaltung
weiterdenken möchte
u nd die nötige Zeit und Kreativität
für das Entwickeln einer
passenden Variante für den eigenen
Betrieb mitbringt.