Rein ökonomisch betrachtet, wäre für Landwirte eine Fruchtfolge Soja-Soja-Mais wahrscheinlich im Moment am lukrativsten – ev. mit Herbstfurche und ohne Zwischenfrüchte. Kurzfristig.
Und „schön sauber“ muss der Feldrand sein, sonst denken die anderen, man sei „ein fauler Hund
Der Blick aufs Ganze
Seit vielen Jahren beobachten Wissenschaftler sinkende Insekten-, Vogel- und Niederwildbestände. „Das Artensterben“ ist ein Dauerbrenner in den Medien. Auf der anderen Seite breiten sich aber Schädlinge, wie zum Beispiel der Maiswurzelbohrer oder der Baumwollkapselwurm in landwirtschaftlichen Kulturen aus. Krankheiten wie Weizensteinbrand werden ein massives Problem und auch Unkräuter, wie Weidelgräser, Ackerkratzdistel oder Flohknöterich gewinnen vielerorts die Überhand in unseren landwirtschaftlichen Kulturen. Dies sind meist Folgen einseitiger Fruchtfolgen.
Ein Zusammenhang wird deutlich. Unsere Kultur-Landschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt und damit ihre Bewohner (Tier- und Pflanzenarten).
Die zugrundeliegenden Prinzipien erkläre ich am Ende des Artikels.
Was hat das mit mir zu tun?
(Der besseren Lesbarkeit zuliebe wähle ich hier nur die männliche Form, wobei sich auch Frauen angesprochen fühlen sollen!) Jeder Landwirt, aber auch der Gartenbesitzer und auch der Grünraumpfleger hat es in der Hand! Er kann Lebensräume einseitig oder vielschichtig und reich-strukturiert gestalten und damit gravierend Einfluss nehmen auf die Bewohner und Besucher dieser Räume. Ebenso spielt die Pflege, der Zeitpunkt und die Häufigkeit des Mähens oder Mulchens eine entscheidende Rolle.
Wozu brauche ich Insekten, Vögel oder andere Tiere?
Hatten Sie schon einmal „Schmetterlinge im Bauch“? Diese wunderbare Redewendung beschreibt ein Glücksgefühl. Und nicht zufällig wählte man dafür scheinbar schwerelos flatternde Insekten. Vielleicht hebt es auch Ihre Stimmung und vertreibt so manche Sorgen, wenn Sie bei blühenden Pflanzen innehalten und beobachten, welche Vielfalt an Besuchern sich dort flatternd und summend tummelt. Bleiben Sie staunend stehen, wenn eine Reh-Mama mit ihrem Kitz den Unterschlupf verlässt? Fragen Sie sich, welcher Vogel das wohl ist, der mit lebendigem Gezwitscher aus dem Gebüsch zu hören ist?
Wenn das für Sie pathetisch, also übertrieben feierlich oder allzu gefühlvoll klingt, lesen Sie hier einfach harte Fakten:
Viele unserer Kultur- und Zierpflanzen brauchen Insekten zur Bestäubung, beispielsweise Kürbis, Sojabohne, Sonnenblume, Raps und andere Kreuzblütler oder Obstbäume wie Apfel, Birne und Zwetschke. Sogar selbstbestäubende Arten, wie zum Beispiel Mohn enthalten keinen Nektar und geben keinen Duft ab, sind aber reich an Pollen, den Bienen und Hummeln lieben und einsammeln. Dadurch kommt es auch bei Mohn zu Fremdbefruchtung. Diese Mechanismen sorgen seit Millionen von Jahren dafür, dass sich die Genetik der Pflanzen weiterentwickelt und jeweils an die Bedingungen bestmöglich anpassen kann. (Stichwort Klimawandel)
Die vom Menschen genutzte Honigbiene trägt hier zu einem gewissen Teil bei. Es sind aber auch unzählige Wildbienenarten (dazu gehören auch Hummeln), Fliegen, Falter und Käfer, die zum Teil sogar auf bestimmte Pflanzenarten spezialisiert sind.
Die Natur sorgt für Gleichgewicht, wenn die Bedingungen dafür vorhanden sind. Ich will dies anhand einfacher Beispiele (nur ein sehr kleiner Auszug) verdeutlichen:
Blattläuse („Schädlinge“) werden z.B. von räuberischen Gallmücken, Florfliegenlarven, Schwebfliegenlarven, Marienkäfern und Ohrwürmern („Nützlingen“) vertilgt oder von parasitierenden Schlupfwespenarten befallen. Räuberische Wanzen jagen und erbeuten Schädlinge wie Spinnmilben, Thripse, Weiße Fliegen, Blattläuse und kleine Spinnen. Käfer und andere Insekten werden wiederum von Singvögeln gefressen usw. Mäuse („Schädlinge“) werden von Raubvögeln, wie dem Mäusebussard und anderen Greifvögeln, Eulen, Marder und Fuchs („Nützlingen“) gefressen.
Die sogenannten „Nützlinge“ brauchen Brutstätten, Überwinterungsmöglichkeiten und Nahrungsangebot in der Landschaft und auch im Garten und auf öffentlichem „Grün“, um wirken zu können! Das heißt, dass auch ein gewisses Maß an „Schädlingen“ vorhanden sein muss, damit räuberische Nützlinge nicht verhungern.
Diese Zufluchtsorte findet man in der modernen Kulturlandschaft nur sehr selten. Deshalb geraten unsere „Agrarflächen“ manchmal aus dem Gleichgewicht und „Schädlinge“ können sich ungehindert ausbreiten, weil die Gegenspieler in der näheren Umgebung fehlen.
Was kann ich tun?
Anhand einiger Beispiele möchte ich zeigen, wie einfach es ist, Biodiversität zu fördern.
1) Brache-/Begrünungspflege bzw. Nutzung
2) Wegrandgestaltung oder wilde Ecken – ohne Aufwand 3) Anlage von Biodiversitätsflächen – mit ÖPUL
4) Anlage von Mehrnutzenhecken – mit ÖPUL
5) Mischkulturen, Untersaaten und Zwischenfrüchte
1) Unterjährige Pflege (Nutzung nur jedes 2. Jahr oder wechselweise die Hälfte jedes Jahr) verbessert die Lebensbedingungen der Nützlinge enorm.
Marienkäfer und andere Nützlinge überwintern in Hohlräumen (Rinde, Steine, Bretter) aber auch in hohlen Stängeln von Pflanzen. Überjährige (über den Winter stehenbleibende) Pflanzenbestände bieten wertvolle Rückzugs- und Überwinterungsräume für Insekten; dazu zählen auch Heuschrecken und Falter. Diese Räume sind in der intensiven Kulturlandschaft kaum vorhanden und für das Überleben vieler Arten essentiell. Belassen Sie überjährige Bereiche, am besten weit entfernt von Wald oder Hecken.
Nützlinge brauchen eine gewisse Zeit um eine von „Schädlingen“ befallene Fläche besiedeln zu können. Wesentlich ist, dass ihre Rückzugslebensräume nicht zu weit auseinanderliegen. Der Laufkäfer geht schließlich zu Fuß. Für unsere Wildbienen als Bestäuber gelten Abstände von maximal 300 m als mögliche Flugdistanz. Deshalb macht ein großer Biodiversitäts-Fleck in der Landschaft weniger Sinn, als viele kleinere aber gut verteilte Ökoflächen. Ein größerer Anteil dieser Ökoflächen sollte gut besonnt sein.
2) Wie sehen Ihre Feldränder bzw. Wegränder aus?
Der Wegrandstreifen links im Bild wird nicht gemäht bzw. gehäckselt. Der Bewirtschafter hat daran anschließend eine Blühfläche angelegt und dahinter steht sein Mais. Die Fläche ist sehr strukturreich und mit blühenden Arten bewachsen. Hier findet man eine Vielzahl an Organismen, sowohl Pflanzen als auch Tiere. Nicht gemähte Wegränder verursachen keine Kosten.
Tief gehäckselte oder gemähte Wegrandstreifen findet man sehr häufig, vor allem vor der Ernte von Kulturen. Mit welcher Zielsetzung geschieht dies?
Die Auswirkungen sind Zeitaufwand, Maschinen- und Treibstoffkosten, Tod unzähliger Wegrandstreifenbewohner und –besucher durch die Maßnahme selbst oder durch den Lebensraum- und Nahrungsentzug. Wenn es trocken und heiß ist, bewirkt ein tiefer Schnitt des „Grüns“ ein „Ausbrennen dieser Fläche“ – sie wird dürr und braun.
Wo keine Kultur steht, könnten „Wilde Ecken“ sein. Lassen, auch wenn es „wild“ aussieht ist ein Motto, zu dem es sogar eine homepage gibt:www.ordentlich-schlampert.at . Blühende Wildpflanzen kommen auch unter heißen trockenen Bedingungen zur Blüte und spenden Nektar für Insekten.
3) Biodiversitätsflächen
.. in Form von Blühstreifen sind praxistauglich, wenn ihre Breite zumindest eine Arbeitsbreite des Sä-Gerätes umfasst. Stehen größere Flächen zur Verfügung, zeigen Erfahrungen, dass ein streifenweiser gestaffelter Anbau mehr Struktur in die Fläche bringt. Durch unterschiedliche Blühzeitpunkte, unterschiedliches Alter der Bestände aber auch durch unterschiedliche Mischungen erhöht sich die Vielfalt zusätzlich. Je mehr „Grenzflächen“ vorhanden sind, desto mehr Lebensräume entstehen und damit mehr Biodiversität. Wenn die Bestände lückig werden, sollte eine Neueinsaat erfolgen.
Eine Abgrenzung zu Nachbarflächen (mit anderer Bewirtschaftungsweise), die neben Lebensräumen zusätzlich Schutz für Niederwild bietet, sind Miscanthus-Streifen.
Eine Neuanlage, die der ÖPUL 2023 Biodiversitätsauflage für UBB und BIO gerecht wird, erfordert geeignete Saatgutmischungen mit mind. 7 insektenblütigen Mischungspartnern aus zumindest 3 verschiedenen Pflanzenfamilien sowie max. 10 % nicht insektenblütigen Mischungspartnern (z.B. Miscanthus) im Bestand.
4) Anlage von Mehrnutzenhecken – mit ÖPUL
Erfahrungen zeigen, dass Hecken optimal wirken, wenn sie in Abständen bis zu 400m zueinander in der Landschaft verteilt sind. Sie bieten sehr viel Struktur, Nahrung und Lebensraum sowie Deckung für Wild. Sie kühlen und befeuchten die Umgebung.
Die Anlage und Erhaltung von Mehrnutzenhecken werden ab dem Jahr 2023 im ÖPUL 2023 mit 800 €/ha unterstützt. Sie müssen eine durchschnittliche Breite von mind. 5 m bzw. max. 20 m aufweisen und werden im Gegensatz zu Windschutzanlagen mit Gehölzen wie vorwiegend Beeren-Sträuchern und Obstbäumen angelegt. Der angrenzende krautige Bereich wird nicht genutzt, ist dauerhaft begrünt und umfasst mindestens 20 %, jedoch max. 50 %. Bei der Umsetzung werden Sie vom Verein BERTA unterstützt. Wenden Sie sich an 02682/702-620 oder 621 bzw. www.berta-naturschutz.at .
Auf das Modell Agroforst gehe ich hier nicht ein. Dies wäre ebenso eine Möglichkeit zur Förderung der Biodiversität. Auch Einzelbäume bieten wertvollen Lebensraum und spenden Schatten!
5) Mischkulturen, Untersaaten und Zwischenfrüchte
Selbst innerhalb landwirtschaftlicher Kulturen ist eine Erhöhung der Biodiversität möglich.
Klassiker im Biolandbau sind Mischkulturen (Artengemenge wie Wickroggen). Erprobt sind auch Untersaaten. In den folgenden Fotos sind eine Untersaat von Luzerne in Senf sowie ein Raps mit Begleitsaat abgebildet. In Maisvermehrungen ist es einen Versuch wert, unter den männlichen Pflanzen Weißklee mit Perserklee und Alexandrinerklee zu etablieren.
Als geförderte biodiversitätssteigernde Maßnahme in UBB und BIO im ÖPUL 2023 stehen „Wildkräuter- und Brutflächen“ zur Auswahl. Hierfür gelten Getreideflächen, die mit doppeltem Reihenabstand (mind. 20 cm) angesät werden und auf denen von 15.03. bis zum 30.06. (bzw. bis zum Drusch) ein Befahrungsverbot herrscht (ausgenommen Überqueren der Fläche). Auf den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie mechanische Beikrautregulierung wird in diesem Zeitraum verzichtet.
Zusammenfassung
Strukturen und Landschaftselemente wie Bäume, Raine, Hecken, Sträucher und vielfältige Blühflächen haben eine wichtige Funktion. Sie bilden Lebensraum und Verbundsystem (Trittsteine und Wegenetze) für unsere Mitbewohner.
Ergänzung: Biozönotische Grundprinzipien
Welchen Einfluss haben die Beschaffenheit und die Bedingungen eines Lebensraums auf die darin lebenden Organismen
Je vielfältiger ein Lebensraum ist, umso mehr verschiedene Arten können dort leben, da jede Art unterschiedliche Lebensraumansprüche hat.
Je einseitiger die Lebensbedingungen sind, desto artenärmer ist die Lebensgemeinschaft. Die Anzahl der Individuen pro Art kann dabei stark schwanken und in artenarmen Lebensräumen (oft kurzfristig) sehr hoch werden. So können Schädlinge – ohne die entsprechenden Gegenspieler - in einer Kultur in kürzester Zeit großen Schaden anrichten.
Je länger die Bedingungen in einem Lebensraum gleichbleiben, desto artenreicher und stabiler ist die Lebensgemeinschaft. Es herrschen Gleichgewichte – keine Art nimmt überhand, da Gegenspieler dann auch zunehmen und ausgleichend regulieren.
Positiver Nebeneffekt für den Wasserhaushalt
Um zukünftig mit dem Klimawandel erfolgreich wirtschaften zu können, ist es notwendig, Niederschläge, die unregelmäßig und dafür oft heftig auftreten, weitestgehend in der Landschaft zu halten und nutzbar zu machen. Hitze und Wind verschärfen Dürre.
Wir können durch die in diesem Artikel beschriebenen Maßnahmen mehr Wasser in der Landschaft halten. Durch mehr Struktur in der Landschaft kann die austrocknende und erodierende Wirkung des Windes reduziert werden. Temporäre Beschattung und mehr Verdunstungsoberflächen führen zu vermehrter Taubildung, Kühlung und Befeuchtung sowie verringerten Umgebungstemperaturen. Bäume und Sträucher sind natürliche Klimaanlagen.
Dieser Artikel ist inspiriert von einer Exkursion mit Paul Weiß in Lassee (NÖ).
Wollen Sie mehr zum Thema erfahren? Lesen Sie unsere Artikel auf lk-online und nutzen Sie unsere ÖPUL-Weiterbildungen zur Biodiversität! Für Fragen stehe ich gerne zur Verfügung: claudia.winkovitsch@lk-bgld.at oder 02682/702-604.