„Nicht jede Pflanze, die in einem Topf wächst, ist automatisch nachhaltig“, betont der leidenschaftliche Gärtner Erwin Seidemann. Für ihn ist Bio eine „Einstiegsdroge“, die aber erst der Beginn eines nachhaltigen, ökologischen Anbaus ist. Vor allem müssten alle Ressourcen so nahe wie möglich aus der Umgebung kommen: „Wir versuchen, Kreislaufwirtschaft am eigenen Betrieb zu betreiben, da dies aber nicht zu 100 Prozent gelingt, beziehe ich Rohstoffe aus einer maximal 300 Kilometer-Entfernung. Dabei achte ich auch darauf, dass diese mit Materialien aus der jeweiligen Region hergestellt wurden.“ So verzichtet Seidemann bewusst auf mit Torf gemischter Erde aus dem Baltikum: „Die gesamte Waldfläche auf der Welt kann weniger CO2 aufnehmen als die gesamte Moorfläche. Daher findet sich in unserem Substrat kein Torf.“ Doch Seidemann geht noch weiter: Seine Blumentöpfe werden mittlerweile größtenteils aus Hanf oder Holzfaser hergestellt.
Keine synthetischen Dünger
Auch bei der Düngung und Pflanzenstärkung geht die Gärtnerei Seidemann eigene Wege: „Wir versuchen, Dünger zu verwenden, die aus Reststoffen hergestellt werden.“ So entwickelte der passionierte Bio-Unternehmer einen Bio-Schafwolldünger, der vor allem durch seine Langzeitwirkung besticht. Hühnertrockenkot wird aufgrund seiner schnellen Wirkung als Ergänzung eingesetzt. Mikroorganismen, die mit Kompost aus Regenwurmhumus gefüttert werden, werden zur Pflanzenstärkung verwendet. Alle zwei Wochen werden sämtliche Pflanzen der Gärtnerei mit einer Mischung aus Mikroorganismen, dazu Brennesselextrakt, Schachtelhalm oder Knoblauch besprüht. Auf seiner Verkaufs- und Produktionsfläche mit insgesamt rund 11.000 Quadratmetern führt Seidemann den nachhaltigen Gedanken weiter aus. Die Heizung wurde bereits mit einer Abgaswärmerückgewinnung ausgestattet. Ab März kommt eine Photovoltaikanlage auf alle festen Dachflächen, die den Strombedarf des Unternehmens künftig zu 50 Prozent decken soll.
Soziales Engagement
Vor über 100 Jahren wurde das Traditionsunternehmen gegründet. Heute, vier Generationen später, gehört die Bio-Gärtnerei zu den ältesten Gärtnereien Österreichs. Knapp 45 Mitarbeiter/innen werden derzeit in Voll- und Teilzeit beschäftigt. Darunter auch neun Lehrlinge, Praktikant/innen und Menschen mit Handicap, die von einer Sozialarbeiterin begleitet werden.
Aus Überzeugung
Das Firmenareal der Gärtnerei Seidemann ist mittlerweile auf zwei Hektar angewachsen. Kräuter, Gemüse und Balkonpflanzen wachsen zu 100 Prozent biologisch und werden im Haus gezüchtet. Vor zwanzig Jahren hat Erwin Seidemann begonnen, den Betrieb auf biologische Wirtschaftsweise umzustellen – aus Überzeugung. Damals konnte man ihn nicht einmal zertifizieren.
2015 wurde Seidemann schließlich offiziell die erste Bio-Blumengärtnerei Österreichs: „Bio zu sein, hat einen Mehrwert: Man kann an der Pflanze riechen, sie angreifen, sie essen, ohne dass Rückstände durch den Körper fließen“, schwärmt Erwin Seidemann. Der Bio-Gedanke ist mittlerweile im Unternehmen fest verwurzelt.
Tiroler Gärtnertradition seit 1902
Der Blumenpark Seidemann ist die älteste Tiroler Gärtnerei in Familienbesitz und einer der ältesten Gärtnereibetriebe Österreichs. Schon Urgroßvater Karl Seidemann setzte 1902 in der Höttinger Au bei Innsbruck auf Tiroler Qualität und etablierte einen großen Nahversorgungsbetrieb, der zwei Weltkriege überdauerte. Gustav „Mandi“ Seidemann baute ihn nach 1968 zusammen mit Mutter Anna und Frau Erna zu einem modernen Produktionsbetrieb für Zierpflanzen aus. 1992 übersiedelte der Betrieb nach Völs/Kematen.
Erwin Seidemann machte daraus ab 1993 (nach einem Jahrhunderthagel, der alle Gewächshäuser zerstörte) den seit 1995 bekannten Blumenpark mit seinem riesigen Produkt-, Service- und Beratungsangebot aus allen Bereichen der Pflanzenkultur.
Mittlerweile ist mit Juniorchef David die bereits fünfte Generation in den Betrieb mit eingestiegen und mit seinem Töchterchen Zita Marie die sechste Generation am Heranwachsen.