Wahrsagerei oder eine Chance?
In modernen Zuchtprogrammen werden Schweine nach Zuchtwerten selektiert. Es werden die Leistungsdaten aus den Betrieben um Umwelteffekte korrigiert und man schließt unter Zuhilfenahme des Stammbaums auf die genetische Leistung des Tieres zurück. Je mehr Daten verfügbar sind, desto höher ist die Genauigkeit der geschätzten Zuchtwerte. Eine hundertprozentige Genauigkeit ist nur theoretisch und bei unendlich vielen Leistungserhebungen erreichbar.
In modernen Zuchtprogrammen werden Schweine nach Zuchtwerten selektiert. Es werden die Leistungsdaten aus den Betrieben um Umwelteffekte korrigiert und man schließt unter Zuhilfenahme des Stammbaums auf die genetische Leistung des Tieres zu
Grundsätzlich werden junge Tiere selektiert, die teilweise noch über keine eigenen Leistungsdaten verfügen. Die Genauigkeit dieser Zuchtwerte ist zu diesem Zeitpunkt noch sehr gering. Im Lauf des Lebens kann sich der Zuchtwert eines Tiers noch stark verändern. Ein Warten würde aber den Zuchtfortschritt verlangsamen und Kosten für die Erhaltung der Selektionskandidaten verursachen. Sollte der Zuchtwert eines Tieres nach der Selektion stark abfallen, ist das für den Zuchtfortschritt ebenfalls hinderlich, vor allem, wenn das Tier seine Gene in der Population schon verbreitet hat.
Genomische Selektion im Übergang zur Praxis
Um dieses Problem zu beheben, ist bei der Zuchtwertschätzung im Rinderbereich die Zuhilfenahme genomischer Daten, die ab dem ersten Lebenstag eines Tieres verfügbar sind, bereits seit Jahren Praxis. In der Schweinezucht befindet sich die "genomische Selektion" gerade im Übergang von der Forschung zur Praxis. Im ÖHYB Zuchtprogramm werden seit November 2016 bei den Rassen Edelschwein und Landrasse die genomischen Daten bei der Zuchtwertschätzung der Merkmale "Anzahl lebend geborener Ferkel" und "Anzahl abgesetzter Ferkel" berücksichtigt.
Zuvor wurde in mehreren Studien geprüft, ob die Anwendung dieser neuen Methode der österreichischen Schweinezucht auch wirklich weiterhilft. Die beiden Leistungsmerkmale sind der Theorie nach bereits ideal für die genomisch unterstützte Zuchtwertschätzung. Gründe dafür sind das hohe Alter eines Zuchttieres beim Erheben der ersten Leistungsdaten und die großen Umwelteinflüsse, die einen Rückschluss auf die genetische Leistungsfähigkeit erschweren.
Zuvor wurde in mehreren Studien geprüft, ob die Anwendung dieser neuen Methode der österreichischen Schweinezucht auch wirklich weiterhilft. Die beiden Leistungsmerkmale sind der Theorie nach bereits ideal für die genomisch unterstützte Zuchtwertschätzung. Gründe dafür sind das hohe Alter eines Zuchttieres beim Erheben der ersten Leistungsdaten und die großen Umwelteinflüsse, die einen Rückschluss auf die genetische Leistungsfähigkeit erschweren.
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Bisher auf Basis der Elternleistungen selektiert
Die erste Selektionsentscheidung fiel bisher ausschließlich auf Basis der Elternleistungen. Bei Hinzuziehen der genomischen Daten steigt die Genauigkeit der Zuchtwerte der Selektionskandidaten um 25 bis 30%. Setzt man die neue Methode konsequent um, erhöht sich im selben Ausmaß der Zuchtfortschritt. Die Genauigkeit liegt auf einem ähnlichen Niveau mit Tieren, die bei der traditionellen Zuchtwertschätzung zwei bis vier Nachkommenwürfe verzeichnen können. Was auf den ersten Blick nicht bedeutend erscheint, wäre aber eine lange Zeitspanne, sofern man mit der Selektion auf diese Würfe warten müsste. Mit der Einführung der neuen Methode steigen auch die Genauigkeiten der Zuchtwerte der nicht genotypisierten Tiere geringfügig, weil man ihre genotypisierte Verwandtschaft exakter einschätzen kann.
Bei Mast- und Schlachtleistungsmerkmalen hinterfragen
Bei Tieren, die bereits mehrere hundert Nachkommenleistungen vorweisen können, verbessert die zusätzliche Information über das Genom die Genauigkeit nur mehr gering. Deshalb haben bei den meisten Mast- und Schlachtleistungsmerkmalen die genomischen Daten nur mehr geringen Nutzen. Bei diesen Merkmalen kann man schon meist vor der Selektion Leistungen am Tier oder an den Vollgeschwistern messen.
Trotzdem arbeitet man bereits an der Umsetzung der genomischen Selektion in diesen Merkmalen. Die Funktionsfähigkeit und der Nutzen durch den Einsatz der neuen Methode muss jedoch für jedes Merkmal und jede Rasse erneut kritisch hinterfragt und überprüft werden.
Trotzdem arbeitet man bereits an der Umsetzung der genomischen Selektion in diesen Merkmalen. Die Funktionsfähigkeit und der Nutzen durch den Einsatz der neuen Methode muss jedoch für jedes Merkmal und jede Rasse erneut kritisch hinterfragt und überprüft werden.
Wie wird die Genauigkeit erhöht?
Obwohl mehr als 99,9% des Genoms bei allen Schweinen ident sind, bleiben mehrere Millionen Genorte, an denen sich Einzeltiere unterscheiden können. Von diesen hat man zirka 64.000 bekannte Genorte gewählt, um sie beim sogenannten "Genotypisieren" von der DNA eines Tieres abzulesen. An diesen Genorten gibt es auch innerhalb der meisten heute bekannten Schweinerassen Variationen.
Diese, auch "Marker" genannten Genorte verwendet man anschließend, um zu vergleichen, wie ähnlich sich einzelne Tiere sind. In der traditionellen Zuchtwertschätzung wird die Ähnlichkeit von Tieren über deren Verwandtschaftsgrad laut Stammbaum berechnet. Jedes Tier erhält immer von jeweils einem Elternteil die Hälfte seiner Gene. Ein Jungtier bekommt deshalb immer einen durchschnittlichen Zuchtwert von Vater und Mutter, bevor man dessen Eigenleistung oder dessen Nachkommenleistung kennt. Vollgeschwister haben also bis zum Erheben der ersten Leistungsdaten denselben Zuchtwert. Ist ein Tier nahe verwandt mit Tieren mit hoher Leistung, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch das Tier selbst ähnliche Gene beherbergt und deshalb eine hohe Leistungsbereitschaft in sich birgt.
Diese, auch "Marker" genannten Genorte verwendet man anschließend, um zu vergleichen, wie ähnlich sich einzelne Tiere sind. In der traditionellen Zuchtwertschätzung wird die Ähnlichkeit von Tieren über deren Verwandtschaftsgrad laut Stammbaum berechnet. Jedes Tier erhält immer von jeweils einem Elternteil die Hälfte seiner Gene. Ein Jungtier bekommt deshalb immer einen durchschnittlichen Zuchtwert von Vater und Mutter, bevor man dessen Eigenleistung oder dessen Nachkommenleistung kennt. Vollgeschwister haben also bis zum Erheben der ersten Leistungsdaten denselben Zuchtwert. Ist ein Tier nahe verwandt mit Tieren mit hoher Leistung, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch das Tier selbst ähnliche Gene beherbergt und deshalb eine hohe Leistungsbereitschaft in sich birgt.
Direkter Vergleich genomischer Marker
Nun kann es vorkommen, dass über den bekannten Stammbaum kein Verwandtschaftsverhältnis zwischen zwei Tieren besteht, obwohl sie möglicherweise viele gemeinsame Gene beherbergen. Über den direkten Vergleich der genomischen Marker kann man in diesem Fall trotzdem die Ähnlichkeit feststellen und genau abschätzen. Auch bei verwandten Tieren kann auf diese Art der Grad der Ähnlichkeit exakter bestimmt werden.
Laut dem traditionellen Verfahren teilen sich Vollgeschwister beispielsweise immer 50% der Gene. Was im Durchschnitt zutrifft, kann im Einzelfall jedoch stark abweichen, weil zwei Geschwister beispielsweise entweder genau die gleichen oder ganz unterschiedliche Hälften vom Vater erhalten können. Auch wenn der Großteil der Vollgeschwister dadurch wirklich 50% gleiche Gene trägt, gibt es manche Geschwister, die sich ähnlicher sind als andere und umgekehrt. (Abbildung 1).
Laut dem traditionellen Verfahren teilen sich Vollgeschwister beispielsweise immer 50% der Gene. Was im Durchschnitt zutrifft, kann im Einzelfall jedoch stark abweichen, weil zwei Geschwister beispielsweise entweder genau die gleichen oder ganz unterschiedliche Hälften vom Vater erhalten können. Auch wenn der Großteil der Vollgeschwister dadurch wirklich 50% gleiche Gene trägt, gibt es manche Geschwister, die sich ähnlicher sind als andere und umgekehrt. (Abbildung 1).
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Jetzt gibt es Anhaltspunkte
Ebenfalls offen bleibt bei der bisherigen Methode der Zuchtwertschätzung die Frage, ob ein Tier nun jenen Anteil der Gene erhalten hat, der sich positiv auf die Leistung in einem Merkmal auswirkt oder nicht.
Bei der neuen Methode dienen die genetischen Marker als Anhaltspunkt. Sitzt ein Marker nahe bei einem wichtigen Gen, wird er meist gemeinsam mit diesem vererbt. Das Erfahrungswissen sagt uns dann, ob sich dieser Marker in Kombination mit anderen Markern positiv oder negativ auf die Leistungen in einem Merkmal auswirkt. Der Marker gibt über die Leistung ähnlich Auskunft, wie einem Kunden schon der Name des Supermarktes Auskunft darüber geben kann, ob ihn dort teure oder billige Lebensmittel erwarten. Kenne ich die Supermarktkette nicht, muss ich zuerst in einigen ihrer Filialen einkaufen, bevor ich mit Sicherheit eine Aussage über deren Preise machen kann.
Kalibrierung
Zur Kalibrierung der genomischen Zuchtwertschätzung müssen deshalb zuvor verwandte Tiere der Selektionskandidaten, die bereits sichere Zuchtwerte vorweisen können, genotypisiert werden. Je größer die Anzahl der bereits genotypisierten Tiere wird, desto besser funktioniert die Zuchtwertschätzung.
In einer österreichischen Studie wurde mit der neuen Methode in 68% der Fälle jenes Vollgeschwister selektiert, das sich auch später als das leistungsstärkere herausgestellt hat. Bei traditioneller Zuchtwertschätzung wäre die Wahrscheinlichkeit nicht größer als 50%, den richtigen Selektionskandidaten zu wählen, da beide denselben Zuchtwert hätten (Abbildung 2).
Zusätzlich waren die Leistungsunterschiede bei jenen Vollgeschwistern, bei denen die neue Methode falsch gereiht hat, nicht so groß wie bei den Richtigen. Die falsche Reihung dieser Vollgeschwister wirkt sich auf den Zuchtfortschritt der gesamten Population deshalb weniger aus wie bei den Richtigen, weil die geringere Differenz wahrscheinlich auch der Grund für den Fehler bei der Selektion ist.
Zusätzlich waren die Leistungsunterschiede bei jenen Vollgeschwistern, bei denen die neue Methode falsch gereiht hat, nicht so groß wie bei den Richtigen. Die falsche Reihung dieser Vollgeschwister wirkt sich auf den Zuchtfortschritt der gesamten Population deshalb weniger aus wie bei den Richtigen, weil die geringere Differenz wahrscheinlich auch der Grund für den Fehler bei der Selektion ist.
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Welche Auswirkungen hat die neue Methode?
Die Kosten für die Genotypisierung der negativ selektierten Vollgeschwister und jene der zuvor genotypisierten verwandten Tiere muss jedoch immer jenes Tier tragen, das schlussendlich für die Zucht ausgewählt wird. Die erheblichen Mehrkosten durch die Genotypisierung sowie die Entwicklung und Umsetzung der neuen Methode, können von den Zuchtverbänden nur schwer direkt an die weiteren Glieder der Produktionskette weitergegeben werden. Auch Einsparungsmöglichkeiten dadurch, dass über die genomischen Daten die Überprüfung der Stressstabilität und die Abstammungskontrolle durchgeführt werden können, kompensieren diese Tatsache nicht. Dafür kann man neue Merkmale, deren Erbgang schwer nachzuvollziehen oder deren Datenerhebung zu aufwändig war, als zusätzliche Selektionskriterien nutzen. Denkbar wären etwa Verhaltensmerkmale beim Abferkeln, Resistenzen gegen gewisse Erregerstämme, Erbfehler oder sogar Merkmale zur Umwelteffizienz. Unumstritten ist, dass die genomischen Daten das Potential haben, die Schweinezucht in den nächsten Jahren stark zu prägen. Es bleibt jedoch spannend, welche Wege tatsächlich beschritten werden und wohin die Reise schlussendlich führen wird.