Vielfalt - nur auf den Feldern oder auch am Hof?

Die Diskussion reicht von den Stammtischen bis in die Tiefen des Internets: Alternative Lebensformen und Weltanschauungen stehen im Zentrum der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit. Dabei gibt es zwei häufige Szenarien: Entweder alle Bäuerinnen und Bauern werden als ähnliche Charaktere beschrieben - oder alle sind irgendwie einzigartig und sollten so auch respektiert werden.
Wie steht es nun um die Vielfalt in der Landwirtschaft? Gibt es sie bloß auf den Feldern oder hat sie auch am Hof Einzug gehalten?
Wer könnte diese Fragen besser beantworten als ein Landwirt selbst. Daher haben wir nachgefragt: Hubert, ein niederösterreichischer Schweinebauer, der kurz vor der Pension steht, hat sich mit uns über Vielfalt in der Landwirtschaft unterhalten. Er meint dazu: “Jeder hat sein eigenes Umfeld, und das von den meisten Landwirten ist, finde ich, ziemlich geerdet. Wir sagen sowas halt nicht.“ Wie passt das also zusammen - diese anscheinend vorhandene Vielfalt am Hof und die fehlende Verwendung dieser Begriffe? Im Gespräch mit Hubert wird schnell deutlich: Er ist ein aufrichtiger Mensch und sagt direkt, was er denkt. Wenn ihm etwas nicht passt, dann drückt er das auch aus. Er meint, er lasse sich immer auf sein Gegenüber ein. Er wolle ja, dass sich sein Gesprächspartner wohlfühle. Als wir dann über Vielfalt und vor allem über Menschen reden, die ihren Alltag anders gestalten - sei es ihre Herkunft, ihre Ansichten oder die ethnische Zugehörigkeit - unterbricht er das Gespräch und meint: “Da geht es doch einfach nur um Respekt. Es kann schon jeder so sein, wie er ist - ich muss ja nicht mit. Aber ich kann ihn ja trotzdem respektieren.“ Doch angenommen, der Respekt ist vorhanden und es wird dennoch nicht über “Diversity“ (Vielfalt) gesprochen und wir führen weiterhin lediglich leidenschaftliche Diskussionen über die Artenvielfalt am Feld: Was bedeutet das für die Vielfalt auf den Höfen?
Die “anderen“ sind überall
Dafür stellt sich zuerst die Frage, wie diese Vielfalt aussieht. Es gibt in den meisten Gemeinden jemanden, der ein bisschen anders lebt - ob es das Alter, die Religion oder die allgemeine Weltanschauung ist. Vor allem, wenn man versucht, das eigene Umfeld möglichst unvoreingenommen zu betrachten, wird schnell deutlich: Es gibt einige, die “anders“ sind. Beispielsweise eine Nachbarin, die einen weitaus jüngeren Mann geheiratet hat. Oder das Paar, das nie Kinder bekommen wollte. Die “anderen“ sind also überall. Was würde nun passieren, wenn wir uns dieser Thematik bewusst wären und zwischen den Landwirten aktiv und offen darüber gesprochen würde? Hubert meint: “Ja, wir reden eh. Es gibt ja Themen, die immer interessant sind.“ Damit sind die letzte Ernte, spannende Landtechnik-Artikel oder die neuesten Infos aus dem Ort gemeint. Gemeinsamkeiten gibt es also anscheinend mehr als genug. Ob das wirklich die tiefsinnigen und aufschlussreichen Gespräche sind, die man mit seinen Mitmenschen führen möchte, muss jeder selbst entscheiden. Doch vielleicht bietet das bewusste Gespräch mit unseren “vielfältigen“ Mitmenschen die Chance auf eine unglaubliche Erkenntnis: Jeder ist auf seine Art verschieden und diese Vielfalt macht unsere Landwirtschaft auch aus.